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Betriebsräte bekleiden nicht nur ein wichtiges Amt der Betriebsverfassung; sie sind auch besonders durch das Gesetz geschützt und genießen Sonderkündigungsschutz. Ob und inwieweit dieser Sonderkündigungsschutz „ausgenutzt“ werden darf, war nun Gegenstand einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
Folgendes ist geschehen:
Der klagende Arbeitnehmer war langjährig bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt und seit 2006 auch Vorsitzender des gebildeten Betriebsrats.
Ab Mitte 2012 tauchten sodann Vorwürfe auf, wonach der Betriebsratsvorsitzende eine ihm unterstellte Mitarbeiterin, eine für den Betriebsrat tätige Sekretärin bzw. Assistentin, sexuell belästigt haben solle. Ferner wurde dem BR-Vorsitzenden regelrechtes Stalking vorgeworfen.
Der BR-Vorsitzende bestritt die Vorwürfe vehement.
Dieser Verdacht erhärtete sich sodann zulasten des BR-Vorsitzenden im laufenden Ermittlungsverfahren. Der Arbeitgeber beabsichtigte anschließend, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos zu kündigen. Der Betriebsrat lehnte eine für die Kündigung notwendige Zustimmung ab, weshalb der Arbeitgeber Anfang Juli 2013 einen entsprechenden Antrag beim Arbeitsgericht auf Ersetzung der Zustimmung beantragte.
Nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens schlossen der Arbeitgeber und der BR-Vorsitzende noch Mitte Juli 2013 einen Aufhebungsvertrag, mit welchem das Arbeitsverhältnis zum 31.12. 2015 aufgelöst wurde, der Vorsitzende bis dahin freigestellt wurde und diesem außerdem eine nicht unerhebliche Abfindungssumme in Höhe eines sechsstelligen Betrages netto gewährt wurde.
Nachdem der Betriebsratsvorsitzende noch Ende Juli 2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurückgetreten war und in der Folgezeit auch die Abfindung sich hatte auszahlen lassen, hat er sodann gerichtlich den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2015 hinaus geltend gemacht. Dabei argumentierte der Vorsitzende insbesondere damit, dass der Aufhebungsvertrag nichtig sei, weil er durch diesen als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt worden sei.
So entschied das Gericht:
Der klagende BR-Vorsitzende scheitere in allen drei Instanzen.
Zwar weist der zuständige Senat des Bundesarbeitsgerichts darauf hin, dass nach § 78 Satz 2 BetrVG Mitglieder des Betriebsrates wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Vereinbarungen, die hiergegen Verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig. Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, so das BAG weiter, wäre das Betriebsratsmitglied allerdings regelmäßig nicht unzulässig begünstigt. Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger sei, als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, ruhe dies allein auf dem in § 15 KSchG und in § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz.
Fazit:
Unabhängig von dem inhaltlich sicherlich völlig richtigen Urteil ist schon erstaunlich, welche Fälle hier durch drei Instanzen getrieben werden.
Man muss sich folgendes vor Augen halten:
Der BR-Vorsitzende schließt freiwillig und sicherlich anwaltlich beraten einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses rund 1,5 Jahre später ab. Er wird unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Beendigungszeitpunkt freigestellt und erhält noch eine satte Abfindung in Höhe einer sechsstelligen Summe. Diese lässt er sich auch auszahlen. Anschließend kommt er auf den Gedanken, der Aufhebungsvertrag sei null und nichtig, weil er durch diesen als BR-Mitglied in unzulässiger Weise begünstigt werde.
Allein diese Historie zeigt schon ein recht zweifelhaftes Rechtsverständnis, dem hier sowohl dogmatisch als auch in der Sache völlig zu Recht ein Riegel vorgeschoben wurde.
Stefan Wenzel
Fachanwalt für Arbeitsrecht