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Stefan Wenzel

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Das „Kündigungsrecht“ des Betriebsrats

Beitragsbild: ©adobeStock/hkama

Verhält sich ein Arbeitnehmer grob gesetzeswidrig, fällt er beispielsweise durch rassistische oder sexistische Bemerkungen auf und stört so ernstlich den Betriebsfrieden eines Unternehmens, so kann der Betriebsrat gemäß § 104 BetrVG vom Arbeitgeber die Entlassung oder die Versetzung des betreffenden Arbeitnehmers verlangen. Kommt der Arbeitgeber diesem Verlangen des Betriebsrates nicht nach, kann der Betriebsrat das Arbeitsgericht anrufen und dem Arbeitgeber die Entfernung des betriebsstörenden Arbeitnehmers per Gerichtsbeschluss aufgeben lassen.

Ist ein solcher Gerichtsbeschluss im Sinne des Betriebsrates ergangen, ist eine daraufhin ausgesprochene ordentliche Kündigung dieses Arbeitnehmers durch ein dringendes betriebliches Erfordernis gerechtfertigt – so entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 28.03.2017.

Folgendes ist geschehen:

Die betreffende Arbeitnehmerin war bei einem Versicherungsunternehmen langjährig als Sachbearbeiterin beschäftigt. Ende April 2015 forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber auf, die Arbeitnehmerin zu entlassen. Zur Begründung verwies der Betriebsrat auf vielfältige Vorfälle, die sich zwischen der Arbeitnehmerin und deren Arbeitskollegen im Oktober 2014 und Januar 2015 ereignet hatten und insbesondere einen sexistischen Hintergrund hatten.

Der Arbeitgeber kam dem Verlangen zunächst nicht nach. Daraufhin leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht ein, bei dem die betreffende Arbeitnehmerin auch entsprechend angehört wurde. Das Arbeitsgericht sollte dem Arbeitgeber aufgeben, die Mitarbeiterin zu kündigen.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrates statt, und verfügte, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin entlassen müsse.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise fristgerecht. Die betreffende Arbeitnehmerin wehrte sich gegen diese Kündigungen im Wege der Kündigungsschutzklage. Der Fall ging sodann durch die Instanzen.

So entschied das Gericht:

Das BAG entschied, dass jedenfalls die ordentliche fristgerechte Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt sei. Ein sogenanntes „dringendes betriebliches Erfordernis“ für die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers liege dann vor, wenn dem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrates in einem Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG rechtskräftig durch das Arbeitsgericht aufgegeben wird, den entsprechenden Arbeitnehmer zu entlassen – so die Erfurter Richter. Denn der betreffende Arbeitnehmer werde ja schon per Gesetz in dem vorangehenden Beschlussverfahren ordnungsgemäße beteiligt, indem der Arbeitnehmer sich entsprechend verteidigen kann. 

Das Verfahren nach § 104 BetrVG habe nur dann Sinn, wenn der Betriebsrat die Maßnahme auch effektiv durchsetzen kann, sobald er sie zu Recht verlangt.

Fazit:

Das Urteil veranschaulicht die umfangreiche Einflussmöglichkeit des Betriebsrates, die sich auch gegen einzelne Arbeitnehmer richten kann.

Die Entscheidung zeigt, dass einerseits der Betriebsrat sehr weit gehende Maßnahmen des Arbeitgebers einfordern kann, die dieser sodann aber auch rechtswirksam umsetzen muss und kann. Es darf nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, wenn der Betriebsrat die Entlassung eines Arbeitnehmers erzwingt und sich der Arbeitnehmer diesen Willen zur Vermeidung einer Zwangsgeldfestsetzung durch den Ausspruch der Kündigung beugt.

Soweit dem Arbeitnehmer in dem Vorprozess Gelegenheit gegeben wurde, sich gegen die zugrunde liegenden Vorwürfe zu dessen Verhalten zu verteidigen, droht dem Arbeitnehmer auch keine „Rechtsverkürzung“.


Stefan Wenzel
Fachanwalt für Arbeitsrecht